Novemberblues

Der November ist dieses Jahr ein grauer, nebeliger Monat. Die Bäume vor unserem Studiofenster sind bereits braun und kahl, das Feld des Bauern abgeerntet. Das letzte Stück blauer Himmel, das ich gesehen habe, scheint Wochen her – so ganz fernab der Realität ist das gar nicht. Die feuchte Kälte zieht einem bis in die Knochen, wenn man draußen unterwegs ist – trotzdem bringe ich meine Tochter jeden Tag mit dem Fahrrad in die Kita und auf dem Heimweg lassen wir uns Zeit und drehen unsere längere „Hasen-, Hühner- und Spielplatzrunde“ – bis wir zuhause sind, bin ich durchgefroren, aber meine Tochter ist happy. Manchmal bin ich neidisch auf die Kaninchen in ihrem Stall, die sich mit ihrem flauschigen Fell aneinander kuscheln und Heu mümmelnd die Welt draußen vorbei ziehen lassen.

Machen wir es denn soviel anders? Das Leben findet wieder mehr drinnen statt. Wir mummeln uns zuhause ein und machen es uns mit Decken und warmem Tee gemütlich. Vielleicht prasselt sogar ein wärmendes Feuer im Kamin. Statt Gartenarbeit ist wieder Zeit für Handarbeiten. Für ein gutes Buch oder einen Film, den man schon lange gerne anschauen wollte.

Trotzdem schlägt das Wetter auf die Stimmung. Auf die Motivation. Hemmt die Energie. Wie macht man weiter, wenn alles grau und trist erscheint? Woher nimmt man die Kraft morgens zeitig aufzustehen, wenn es noch stockdunkel ist? Und wie steht es um den Optimismus und die Hoffnung auf Sonnenschein?

Wer hier zwischen den Zeilen eine Metapher liest – zurecht. Mir geht es zwar in der Tat in erster Linie um das Wetter, doch jede und jeder von uns kennt und hat Phasen, auf diese das Bild übertragbar ist. Ich will euch damit heute nicht herunterziehen. Ganz im Gegenteil. Ich suche nach dem Sonnenschein. Nach der Energiequelle. Dem Antrieb. Nach dem, was uns jeden Morgen aufstehen lässt.

Welcher Witzbold nun am liebsten „Na, der Wecker!“ antworten würde, dem halte ich entgegen, dass ich Meisterin bin in der Bedienung der „Snooze“-Taste. Das mit dem Wecker geht also nicht ganz auf.

Ich bewundere meinen Mann, dessen Wecker jeden Morgen klingelt, wenn noch eine „4“ auf der Uhr vorne steht und der es schafft noch vor 6 Uhr in der Arbeit zu sein. Ich bewundere auch unsere Nachbarin, die vor der Arbeit noch eine Stunde laufen geht. Um 4 Uhr morgens! Und ihren Mann, der aufsteht, um mit ihr zu laufen, obwohl er den restlichen Tag zuhause ist. Wann seid ihr das letzte Mal an eurem freien Tag (freiwillig) um 4 Uhr aufgestanden?

Es liegt an der richtigen Motivation.

Wie schön es ist, wenn man um 14:30 Uhr bereits seine Soll-Arbeitszeit erfüllt hat und den restlichen Nachmittag mit seiner Tochter verbringen kann, statt erst abends nach Hause zu kommen. Wie belebend es ist, wenn man mittags nach Hause kommt und einen Haken hinter Sport und Arbeit setzen kann.

Ich glaube, es bedingt sich alles gegenseitig. Die Motivation. Die Energie. Der Optimismus. Wenn mir eines davon fehlt, habe ich es schwer. Was helfen mir Motivation und Energie, wenn der Optimismus nicht da ist, dass alles gut wird? Was mache ich mit Optimismus und Motivation, wenn mir die Energie für die Umsetzung fehlt? Und wohin führen mich Energie und Optimismus, wenn ich keinen Beweggrund habe?

Momentan fehlt mir von allem ein bisschen. Und trotzdem stehe ich morgens auf (nicht so spät, wie man meint, ich bin schließlich immernoch Mutter) und sitze gerade sogar vor dem Laptop an einem Blogbeitrag, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe. An meinem Buch hingegen habe ich schon Wochen keine Seite mehr geschrieben und das Chaos auf meiner Studioseite lichtet sich nur ganz gemächlich. Und Sport… hey, ich war gestern beim Babyschwimmen dabei, zählt das?

Ich höre förmlich die Stimme meines Mannes im Ohr, der beim Lesen an dieser Stelle ankommt und mir mit einem bestimmten Blick sagt, ich solle nicht so hart mit mir ins Gericht gehen und dann all das aufzählt, was ich um die Ohren hatte und was ich trotzdem geschafft habe. Und dass ich damit aufhören soll, allen und allem anderen gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben und mich lieber auf mich selbst fokussieren soll.

Das mache ich und deshalb schreibe ich gerade, weil ich das am besten kann. Ich richte meinen Blick nach innen. Ich atme (achtsam – wir haben letztens „Achtsam morden“ angeschaut, beim Atmen hört die Referenz aber auch schon auf, glücklicherweise bin ich kein Anwalt eines Drogenbosses sondern „nur“ Frühpädagogin. Ist auch besser so. Aber wenn jemand trotzdem ein Haus am See hat für einen Wochenendausflug…).

Und ich fokussiere mich. Ich konzentriere mich auf die kleinen Dinge. Die wunderschönen Dinge. Die kleinen und großen Glücksmomente in meinem Leben. Das ist mein Motivator. Meine Energiequelle. Und mein stetiger Hoffnungsschimmer am Horizont.

Meine Nummer Eins der immerwährenden Glücksmomente:

Meine Tochter. Unser kleiner Sonnenschein. Es gibt mir so unglaublich viel, sie aufwachsen und wachsen zu sehen, ihre kleinen Arme um meinen Hals zu spüren, wenn sie kuscheln möchte. Ihre Freude zu erleben, wenn wir auf dem Heimweg von der Krippe noch die Hasen und Hühner besuchen und wenn sie mir aus dem Holzspielhaus heraus zum wiederholten Male „Nilleeis“ verkauft. Sie holt mich immer wieder auf den Boden dessen zurück, was wichtig ist und wirklich zählt: der Augenblick und die Zeit, die man gemeinsam hat.

Familienzeit

Dass wir uns haben, das ist eine riesengroße Energiequelle. Gemeinsam in den Tag starten, gemeinsam lachen, gemeinsam weinen. Musik hören, durch das Zimmer tanzen und Quatsch machen. Einfach mal die Hausarbeit und alles andere sein lassen und den Moment genießen und dankbar sein, dass wir zusammen sind. Wie oft macht man sich das schon bewusst? Und nicht nur für unsere kleine Familie bin ich dankbar, sondern auch für die große Familie und die weitere Familie. Für den Rückhalt, den ich durch Eltern, Bruder und die Schwiegerfamilie erlebe. Dass man füreinander da ist, bedingungslos. So ist es auch in unserem tollen Freundeskreis.

Auszeit im Alltag

Ungewöhnlich, dass ich bei meiner Aufzählung kleiner Glücksmomente auch an die Arbeit denken muss, oder? Für die Arbeit bin ich viel unterwegs. Sehr viel. Und es tut gut, wenn man morgens aus der Nebelsuppe heraus in den Sonnenschein fährt. Es gibt Energie, wenn ein gemeinsamer Erkundungsspaziergang durch die Natur an einem See entlang Teil der Arbeit ist. Und was für ein wunderschönes Gefühl es ist, wenn man freudig und mit offenen kleinen Armen zu Beginn der Frühförderstunde begrüßt wird.

Das ist ein kleiner Ausschnitt meiner Glücksmomente dieses Jahres. Ein großer und essentieller Glücksfaktor ist für mich auch die Kreativität. Ich habe mich dieses Jahr sehr auf das Schreiben konzentriert und freue mich sehr, dass es dort voran geht. Auch konnte ich endlich ein großes Malprojekt für einen Freund beenden und bin sehr glücklich, dass das Ergebnis toll geworden ist. Wir genießen die Zeit in unserem Zuhause sehr und es zieht uns wenig weg. Hier haben wir unsere Ruheoase, wir fühlen uns wohl und sind angekommen. Ein schönes Gefühl! Trotzdem tat mir die Auszeit im Sommer sehr gut und ich habe es genossen, einmal wieder in den Bergen zu sein.

Manchmal verlieren wir all das Glück, das wir haben, aus den Augen.

Augen auf. Atmen.

Und einen Schritt nach dem anderen.

2 Replies to “Novemberblues”

  1. Wunderbar geschrieben und es hat mich sehr berührt.

    Mit diesen Gedanken im Kopf starte ich gleich etwas, wie soll ich das beschreiben, harmonischer in den Tag.

    Danke!

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