„Ich habe keine Zeit gehabt.“
„Ich bin nicht dazu gekommen.“
Das sind Sätze, für deren Aussprache ich mir die letzten Monate von meinem Freund „einen dieser Blicke“ eingefangen habe.
Keine Zeit, von wegen.
Und er hat Recht.
Seit Mitte Januar befinde ich mich schwangerschaftsbedingt im Beschäftigungsverbot und darf zuhause sein. Dort bin ich bei weitem nicht unbeschäftigt. Nachdem die Übelkeit der ersten Monate vorüber ist kann ich die gewonnene Freiheit und Freizeit so richtig genießen und auch nutzen. Und ja, manchmal fühlt es sich so an, als hätte ich für gewisse Dinge einfach keine Zeit gehabt und diese Worte kommen leicht über meine Lippen:
„Ich hatte keine Zeit.“
Wohingegen es doch weitaus zutreffender wäre, zu antworten:
„Meine Prioritäten lagen anderswo.“
oder
„Ich hatte meinen Fokus auf andere Dinge gerichtet.“
Denn seien wir einmal ehrlich: dass wir etwas nicht schaffen liegt häufig (nicht immer) daran, dass uns andere Dinge wichtiger sind. Ja, ich hätte seit Ende Februar jede Woche einen Beitrag für diesen Blog verfassen können, doch stattdessen habe ich Babysachen genäht, Comics gemalt, Fotobücher gestaltet, einem Gartenwichtel einen neuen Anstrich verpasst und so viele andere Sachen gemacht. Und oft saß ich einfach im Garten in der Sonne oder drinnen mit dem Rücken an der Heizung und habe gelesen.
Wir haben es selbst in der Hand, worauf wir Wert legen, was uns wichtig genug ist, um unsere wertvolle Zeit dafür aufzuwenden. Es liegt an uns. An euch. An dir. An mir.
Zeit ist, so wird mir immer wieder bewusst, das wertvollste Gut, das wir besitzen. Nicht Geld oder Reichtum. Nicht Status und Prestige.
Zeit – Lebenszeit.
Ein Gut, das nicht nachwächst, das wir nicht unendlich anhäufen können.
Ist es nicht das schönste und kostbarste Geschenk, das man jemandem machen kann, Zeit mit ihm zu verbringen?
Ja, das Thema Zeit beschäftigt uns ständig. Meistens fehlt sie uns: für die Dinge, die wir tun wollen, für Tätigkeiten, die wir tun müssen, für Sport, für die Gesundheit, für andere Menschen. Jeder geht anders damit um. Mancher will zuviel in den Tag packen und scheitert und mancher verplempert die Zeit mit vermeintlich Unwichtigem und beide haben vielleicht am Ende des Tages das Gefühl, nichts erreicht zu haben oder nicht genug erreicht zu haben.
Ich verstehe deine Gedanken nur zu gut und mir kam beim Lesen gleich ein Zitat von Seneca in den Sinn (er hat um Christi Geburt herum gelebt), das gut dazu passt: „Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Mit dem Thema Zeit haben sich somit die Menschen schon vor 2000 Jahren auseinandergesetzt und damit ist es irgendwie „zeitlos“.
Vielen lieben Dank für diesen schönen Kommentar, der eine schöne Zusammenfassung und Ergänzung meines Beitrags ist und sehr gut in Worte fasst, wie es mir und bestimmt vielen anderen oft geht.